Mittwoch, 9. Juni 2010

Varanasi

Wir starteten unseren Indienaufenthalt gleich mit der vollen Indiendröhnung - Tempel, Verkehrschaos, Pilgermassen, Chillum rauchende Yogis, heilige Kühe, hinduistische Rituale mit viel Rauch und Feuer, Badespass mit brennenden Leichen gleich daneben,... - Willkommen in Varanasi, der heiligsten Stadt am Ganges!!!
Nach hinduistischem Glauben ist das Wasser des Ganges heilig und ein Bad darin wäscht sämtliche Sünden ab. Außerdem wird man, wenn man nach dem Tod an den Ufern des Ganges verbrannt wird, vom Wiedergeburtenkreislauf befreit.
So viel Heiligkeit garantiert in Indien auch ganz viel Action – am Flussufers des Ganges ist immer was los!
Tausende Pilger waschen sich täglich im völlig verschmutzten Wasser (Zu Industriemüll und Abwässern, die ungefiltert in den Ganges fließen kommen noch Opfergaben und die Asche (und teils unverbrannte Körperteile) der Verstorbenen dazu). Sie trinken es sogar, da das Gangeswasser auch heilende Fähigkeiten besitzen soll.
Obwohl wir ja sonst mal gerne lokale Gepflogenheiten ausprobieren, hielten wir uns diesmal zurück, verzichteten auf Durchfall, Hautausschlag und Co und beobachteten das bunte Treiben nur. Während das Bad im Ganges für manche eine hoch heilige, ernste Angelegenheit mit unzähligen Ritualen ist, sehen es andere als Wasserspaß mit heiligen Nebenwirkungen und es herrscht teils ausgelassene Badeseestimmung.
Wenige Meter neben den Badenden werden am Ufer die Toten verbrannt.
Nachdem die Verstorbenen kurz in den heiligen Fluss getaucht wurden, werden sie auf einen offenen, genau abgewogenen Scheiterhaufen (Gewicht und Qualität des Holzes bestimmen den Preis der Bestattung) gelegt und verbrannt. Ihre Asche wird (nachdem das Gold von Zähnen und Schmuck heraus gewaschen worden ist) dann in den Ganges gestreut. Da diese Art des Ablebens nach hinduistischem Glauben den Austritt aus dem Wiedergeburtenkreislauf garantiert kommen viele Leute aus ganz Indien hierher um zu sterben. Es gibt eigene Sterbehäuser in Varanasi, die die Menschen in ihren letzten Tagen beherbergen und dann für sie die Bestattung arrangieren.
Einen menschlichen Körper auf einem offenen Feuer brennen zu sehen ist ein Bild an das westliche Augen nicht gewöhnt sind – halbverkokelte Beine, die aus Scheiterhaufen stehen und aufplatzende Gedärme stehen in christlichen Begräbnissen einfach nicht auf der Tagesordnung.
Aber nicht nur Leben und Tod existieren in Varanasi direkt nebeneinander, sondern auch Ritual- und Alltagsleben gehen fließend ineinander über. Unter Tags ist das Ufer nicht nur Schauplatz von Totenverbrennungen und rituellen Bädern, sondern die Leute treffen sich hier auch zum Wäsche, Geschirr und Kinder waschen, Cricket spielen, Yoga machen, Touristen abzocken und fischen. Am Abend versammeln sich dann tausende Leute zur Puja (Ritual), wo dann mit viel Getrommel, Glockengeläute, Gesang, Tanz, Feuer und Rauch den Göttern und der heiligen „Mutter Ganga“ geopfert wird. Nebenbei wird das Flussufer aber auch für den Abendspaziergang, Leute treffen und Abendessen genutzt.
Varanasi ist echt ein buntes Kaleidoskop an Gegensätzen – Wir waren begeistert! Es war der perfekte laute, bunte, schräge Einstieg für dieses laute, bunte, schräge Land!
Wir verbrachten die meiste Zeit in Varanasi damit am Ufer des Flusses oder in den kleinen, verwinkelten Gassen der Altstadt spazieren zu gehen und die Stadt auf uns wirken zu lassen. Naja, zuerst einmal verbrachten wir die meiste Zeit im Hotelzimmer, da sich Kevin bei seiner ersten Mahlzeit in Indien gleich mal eine Lebensmittelvergiftung oder so zugezogen hatte. Erst als die auskuriert war konnten wir mit dem Erkunden anfangen...
An einem Morgen charterten wir uns zu Sonnenaufgang ein kleines Boot und ließen uns eine Stunde lang das Ufer entlang rudern. Vom Fluss aus bekommt man noch einen viel besseren Blick auf das farbenprächtige Morgenbadespektakel, mit der eindrucksvollen Kulisse von Varanasis Altstadt im Hintergrund!
Eigentlich könnte man mehrere Wochen in Varanasi verbringen, ohne dass einem langweilig wird. Da wir aber für ganz Indien nur 3 Monate Zeit haben, mussten wir uns schon nach wenigen Tagen von der Stadt verabschieden.
Unser nächster Stopp war etwa 1000km weiter im Süden – die Tempelhöhlen von Ajanta und Ellora.

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