Raúl´s Minicamping: Der erste Eindruck war mehr als verwirrend – Ein kleiner alter Mann mit verkehrt herum aufgesetzter grüner Baseballmütze bei der das Markerl aussteht und abgeschossenem Teenie-T-Shirt hetzt uns quer über seinen Garten, zeigt uns alles und ertränkt uns in einem Wortschwall sich immer wiederholender Sätze und ehe wir uns versehen sitzen wir bei ihm in der Küche, trinken Kaffee und lassen uns von vorne bis hinten bewirten. Aber es dauerte nicht lange und wir hatten diesen schrägen Kerl lieb gewonnen und die Entscheidung ein paar Tage länger zu bleiben war schnell gefallen.
Raúl ist ein Mensch, den kann man fast nicht beschreiben, den muss man erlebt haben! Er ist ein 60jähriger pensionierter Polizist, der sein Minicamping mehr als Hobby betreibt um immer jemanden um sich zu haben. Er kocht und putzt den ganzen Tag und beglückt seine Gäste mit selbst gemachtem Kompott (todo natural!!!) und Gedichten. Wenn er diese Gedichte vorträgt driftet sein Blick ab und er taucht ein in eine Welt ab, wo die künstlerischen Energien fließen und er nur als Medium agiert. In manchen Momenten wirkt er hellwach und intelligent, dann wirkt er wieder vergessen, leicht autistisch und liest irgendwelche Telefonnummern (mit einer übergroßen Leselupe) aus dem Gemeindereiseführer laut vor. Er wuselt herum, brabbelt vor sich hin und ist ohne Unterhalt mit irgendwas beschäftigt…Eine Insitution der Mann!
Am zweiten Tag bei Raúl kamen zufällig Agnés und Jules, zwei Franzosen, die wir schon in Punta Arenas getroffen hatten an. Agnés hatte sich eine Stauballergie mit schweren Atemproblemen zugezogen, die sich zu einer Lungenentzündung ausgewachsen hatte und musste sich im Krankenhaus von Perito Moreno behandeln lassen. Sie waren von Raúls Minicamping und seinen Hausmittelchen (auch todo natural!!!) so begeistert, dass sie auch bald ihre Kinder und die befreundete Familie mit der sie reisten nachholten womit die „Familie Raúl“ noch größer wurde. Wir kochten jeden Abend gemeinsam spielten Karten und genossen ein paar ruhige Tage.
Für Raúl gehörten wir zwei sowieso gleich zum Campingplatzinventar. Wir halfen ihm beim Bau eines refugios (Aufenthaltsraum für regnerische Campingtage) und weihten ihn in die österreichischen Ostertraditionen ein. Es ist gar nicht so einfach Eier zu färben, wenn es keine Eierfarbe zu kaufen gibt – von Hollerbeeren über Rotwein bis hin zu Gras und Bleistift musste alles herhalten. Die Eier sahen dennoch besser aus als es hier klingen mag….
Wir nutzten die Tage zum Wäschewaschen (in einem WaschVOLLAUTOMATEN), für kleinere Reparaturen und Kevin häkelte wieder mal eine Haube – Jetzt sind wir das Autostopperdreamteam, weil wer kann einem Gnom und einem Elfenhexchen schon widerstehen?
Aber irgendwann ist es genug mit faulenzen und fressen. Am 8. Tag in der Früh wollten wir aufbrechen, Raúl war schon traurig Marita und Marito (Kevin konnte er sich nicht merken) zu verlieren…da begann es zu regnen und zu stürmen. Und Raúl hüpfte wie ein kleiner Bub in seiner Hütter herum, grinste übers ganze Gesicht und sang eine halbe Stunde lang nur „un día más, un día más!“
Also brachen wir erst am 9. Tag Richtung Los Antiguos (letzte Ortschaft vor der chilenischen Grenze) auf.
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