Mittwoch, 9. Juni 2010

Zu Besuch bei Sai Baba...

Keine Indienreise wäre komplett, ohne den Besuch in einem Ashram. Und welcher Ashram bietet sich dazu mehr an, als der von Sathya Sai Baba, dem wohl berühmtesten und umstrittensten Guru in Indien. Wir wussten zwar weder wie es genau in einem Ashram abläuft, noch was jetzt die eigentliche Lehre von Sai Baba ist, aber im Reiseführer hatte das ganze ziemlich unproblematisch und einfach geklungen. Schon auf der Busfahrt nach Puttaparthi, einem kleinen Nest 4 Stunden nördlich von Bengaluru (Bangalore), wurden wir auf Sai Baba vorbereitet. Bereits eine Busstunde vor dem Ashram lachte sein Gesicht von praktisch jeder Plakatwand und Slogans seiner Lehre wie: „Love ever, hurt never!“ zierten Häuserwände, Strommasten und Felsbrocken am Straßenrand.
Was im Reiseführer wie „hinkommen, Zimmer checken und einfach Ashram anschauen“ geklungen hatte, stellte sich als etwas schwieriger heraus. Schon beim Eingang mussten wir durch eine strenge Sicherheitskontrolle inklusive Metalldetektor. Danach war es gar nicht so einfach auf dem riesigen Gelände jenes Gebäude zu finden, das die Unterkünfte für ausländische Sai Baba-Anhänger vergibt. Und Informationen über Tagesablauf oder Ashramregeln zu bekommen war praktisch unmöglich.
Wir verbrachten den gesamten ersten Tag damit, die riesige Anlage des Ashrams zu erkunden und über die Menschenmassen zu staunen, die sich zum täglichen Darshan (Massenaudienz mit Sai Baba) in der gigantischen Halle versammeln.
Am Abend statteten wir uns im ashrameigenen Buchgeschäft mit Literatur über Sai Baba aus – Wenn wir schon hier sind, sollten wir auch wissen, worum es in seiner Lehre geht. Das was wir bis dahin wussten, ergab noch nicht sehr viel Sinn und widersprach sich oft ziemlich mit dem Verhalten, dass die Leute im Ashram an den Tag legten.
Dieser offensichtliche Widerspruch wurde auch nach dem genaueren Befassen mit seiner Message nicht unbedingt weniger. Grundsätzlich kann man die Lehre Sai Babas (so wie wir sie verstanden haben) wie folgt zusammenfassen: Jeder Mensch braucht Religion/Spiritualität. Es ist gleich welcher Religion du angehörst, da alle im Grunde die gleiche Message haben – die der Liebe. Es gibt nur eine große göttliche Kraft, die Kraft der Liebe. Er selbst ist die Verkörperung dieser Liebe. Deshalb sollst du ihn anbeten. Liebe durchdringt alles und alles ist Liebe und da Liebe göttlich ist, bist du auch Gott, genauso wie Sai Baba selbst. Ziel ist es diese alles umfassende Einheit zu erkennen und dein Ego völlig aufzugeben. Da er dir diesen Weg zeigt musst du ihn anbeten....oder so ähnlich. (Es kann natürlich sein, dass wir mit unserer Interpretation des Ganzen völlig falsch liegen. Es soll sich also hier keiner angegriffen fühlen, der seine Lehre anders versteht)
Im Praktischen soll das so aussehen, dass man diese Liebe wahr nimmt und auch andere mit dieser Liebe behandelt. Slogans wie „Help ever, hurt never!“ kann man überall (auf Baseballcaps, T-shirts, Plakaten,...) am Ashramgelände lesen.
Wir waren echt überrascht, wie wenig diese theoretische Message im Ashram in die Praxis umgesetzt wurde. Grundsätzlich ist es ja eine sehr ähnliche Lehre wie die, die wir im Kloster in Thailand gelernt hatten, nur dass wir dort das Gefühl hatten, dass es die Leute dort wirklich leben. Im Ashram von Sai Baba entdeckten wir mehr Unruhe, Neid und Unzufriedenheit als Liebe und Frieden. Besonders die Anhänger aus der westlichen Welt waren ein Schock für uns – so viele verhärmte, unzufriedene, z´wider dreinschauende Esofuzzis!
Wir gaben Sai Baba noch eine letzte Chance uns zu überzeugen und gingen am nächsten Abend zum Darshan, wo er sich normalerweise zeigt um seine Liebe zu verbreiten. Wir hatten schon in Thailand von einer anderen Retreat-Teilnehmerin gehört was für eine wunderbare Ausstrahlung er hat und wie sich die Energie in der Menschenmenge ändert, sobald er die Halle betritt.
Erst warteten wir mal eine gute Stunde, während Helfer des Ashrams Wasser austeilten und die Leute davon abzuhalten versuchten sich noch in die schon besetzten vorderen Reihen zu quetschen. Als Sai Baba dann aber endlich auf seinem Rollstuhl-Thron sitzend in die Halle geschoben wurde, war sämtliche Ordnung beim Teufel. Alle drängten, schubsten und rempelten nach vorne um einen Blick auf den großen Guru zu werfen (obwohl jeder etwas gesehen hätte, wären alle ruhig auf ihrem Platz sitzen geblieben). Also von der großen Liebe spürten wir da nicht viel! Und auch das Ego, das man eigentlich loslassen sollte nahm wieder überhand – ICH muss ihn sehen, ICH muss erlöst werden, ICH, ICH, ICH!!!
Auch in Sai Baba sahen wir nur einen alten Mann mit schräger Afro-Frisur und nicht die Mensch gewordene Gottheit...
Aber auch wenn diese ganze Ashram- und Verehrungsmasche nicht ganz so unser Ding ist, konnten wir trotzdem ein paar ganz nette Ideen und Denkanstöße aus Puttaparthi mitnehmen.

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