Indien ist ein Land, in dem Gegensätze oft unmittelbar aufeinander treffen - verschiedene Religionen, unterschiedliche Traditionen und komplett gegensätzliche Kulturen. Immer wieder stolpert man von einer Welt direkt in die nächste. Wir hatten genau so einen Religions- und Kultursprung als wir nach dem Besuch im Ashram direkt nach Tiruvannamalai zu einem Hindutempel fuhren, in dem Shiva als brennender Lingam (Phallus) verehrt wird. In Tiruvannamalai, einer der 5 wichtigsten Shiva-Städte, wird dieser Gott in seiner Feuerinkarnation verehrt. Das besondere an der gigantischen Tempelanlage ist nicht nur ihre Größe (ein Tempelgelände von 10 Hektar ist nicht zu verachten), sondern auch die Tatsache, dass das einer der wenigen Tempel in Indien ist, bei dem man auch als Nicht-Hindu bis ins allerheiligste Tempelinnere darf. Und dann beinhaltet das auch noch einen ewig brennenden Phallus – Das mussten wir uns ja einfach ansehen!
Wir kamen im strömenden Regen in Tiruvannamalai an - einer der ersten Vorboten des Monsuns, der Ende Mai das Festland von Indien erreichen und sich dann langsam von Süden nach Norden arbeiten wird. Da es einer der ersten Regengüsse der Saison war, wusch er die Straßen mal kräftig auf und alles, was sich da in den letzten Monaten an Dreck, Urin, Fäkalien, Müll und Co angesammelt hatte lief in einer dunkelbraunen Suppe knöcheltief die Straßen hinunter – Waren wir froh in diesem Moment in einer Motor-Riksha zu sitzen!
Als wir am nächsten Morgen den Tempel besichtigten regnete es noch immer leicht, was der ganzen Anlage ein besonders schräges Flair gab. Der Tempel ist konzentrisch aufgebaut – je tiefer man hineingeht, umso heiliger wird es. Im ersten Ring kämpfen noch Verkäufer und Bettler um die Aufmerksamkeit der Tempelgeher, aber je weiter man, über Gänge, Korridore und kleine Plätze ins Tempelinnere vordringt umso mystischer wird die Stimmung. Im innersten Tempel, dort wo der Lingam brennt, muss man sich dann in einer langen Schlange anstellen, um dann letztendlich einen kurzen Blick darauf erhaschen zu können. In diesen verrauchten, von Ruß und Räucherwerk geschwärzten Hallen befindet man sich in einer fremden Welt. Der Steinboden ist blank poliert von abertausenden Pilgern, zu den Füßen der Statuen liegt weißes Pulver, oder Asche, das sich die Gläubigen auf die Stirn drücken, kein Sonnenstrahl ist je in das tiefste Innere des Tempel vorgedrungen und die Hitze der Flammen in den engen Kammern ist erdrückend. Wir kamen uns vor wie Besucher in einer völlig anderen Zeit, wie Zeugen eines alten, längst ausgestorbenen Kults mit geheimnisvollen Ritualen und Göttern....Und im Grunde ist es eigentlich nur ganz normaler Hinduismus, wie er von Millionen von Menschen jeden Tag praktiziert wird, nur dass du das als Tourist meist nicht zu sehen bekommst.
Der Feuerlingam war übrigens nicht so spektakulär...die Tempelstimmung wars aber allemal wert hier einen Zwischenstopp einzulegen.
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