Freitag, 15. Jänner 2010

Saigon...

Ho Chi Minh City, ehemals (und inoffiziell immer noch) “Saigon”, ist Vietnams größte Stadt. Noch das Chaos, den Lärm und den Smog von Hanoi in Erinnerung, stellten wir uns auf das Schlimmste ein und wurden….überrascht. Die Stadt ist zwar laut und chaotisch, aber in Sachen Verkehr, Lärm und Smog kommt sie bei weitem nicht an Hanoi heran. Vielleicht liegt es daran, dass die Straßen in der Altstadt weiter sind als die in Hanoi und dass der Smog eher aufs nahe gelegene Meer hinausgetragen wird, aber generell machte Saigon einen freundlicheren ersten Eindruck auf uns. Gleich nachdem wir vom Bus ausstiegen wurden wir von einem (freundlichen) Mann angequatscht, ob wir ein Zimmer bräuchten. Er lotste uns in ein Gewirr aus kleinen Gassen und Durchgängen zu seinem kleinen Haus, das er als Hotel umgebaut hat. Die dreiköpfige Familie lebt in einem kleinen Zimmer im Erdgeschoß und den Rest des Hauses hat er mit einfachsten Mitteln in 3 Gästezimmer verwandelt. Um in unser Zimmer zu kommen mussten wir erst mal durch das Wohnzimmer der Familie und über eine 40cm breite Stiege in den ersten Stock. Der kleine Raum hatte keine Glasfenster, sondern nur eine mit Lüftungsschlitzen durchzogene Wand durch die die frische Luft (und der Straßenlärm) ungehindert hereinkommen konnten. Wir nahmen das Zimmer aber trotzdem – der vietnamesischen Wohnerfahrung wegen.
In Vietnam sind die meisten Häuser nur wenige Meter breit, dafür mehrere Stockwerke hoch und haben pro Stockwerk dann nur ein Zimmer. Geschlafen wird auf Matratzen am Boden, die man unter Tags irgendwo verräumt hat. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Werkstatt und Geschäft sind also ein Raum. Und da die Haustür den ganzen Tag offen steht gibt es so was wie Privatleben praktisch nicht…
Zum Einstand in unserem neuen Zimmer lud uns der Besitzer gleich mal auf einen heißen Tee ein, was uns nach unseren bisher hauptsächlich negativen Erfahrungen mit Vietnamesen sehr überraschte. Wir mussten auch schnell feststellen, dass die südvietnamesische Mentalität um einiges erträglicher ist – Hier sind die Leute weniger hektisch und verbissen als ihre nördlichen Landsleute und einige Verkäufer haben es hier sogar gecheckt, dass man ihnen vielleicht eher was abkauft, wenn sie die Leute nicht anblaffen ihnen gefälligst was abzukaufen, sondern einfach nur freundlich sind.
Wichtigster Sightseeing-Programmpunkt in Saigon war der Besuch der nahe gelegenen Cu Chi Tunnel. Dieses unterirdischen Netzwerk aus Gängen und Kammern wurde während des Vietnamkriegs von den Viet Cong (nordvietnamesische, kommunistische Guerillakämpfer - von den Amerikanern kurz Charlie genannt) mit einfachsten Mitteln händisch gegraben. Im Bezirk Cu Chi alleine entstanden während dem Krieg über 200km Tunnel mit unterirdischen Küchen, Lagerräumen und Krankenhäusern.
Heute kann man einen Teil dieses gigantischen Komplexes besichtigen. In Schauräumen wird gezeigt, wie die Viet Cong gelebt haben, welche Tricks sie angewendet haben um von den Amerikanern nicht aufgespürt zu werden und wie sie nicht explodierte Bomben aufgeschnitten und zu improvisierten Minen und Sprengsätzen verarbeitet haben.
Unser Guide, ein sehr regimetreuer Patriot, erklärte uns voll Freude und Stolz die Effektivität der Minen, Falltüren und Stolperfallen, die die Viet Cong gebaut hatten um die bösen Amerikaner in die Luft zu sprengen, aufzuspießen und zu verletzen. Wir konnten seinen Enthusiasmus nicht wirklich teilen, sondern waren eher geschockt zu sehen was sich Leute gegenseitig antun können.
In einigen Tunnelabschnitten kann man die unterirdische Erfahrung auch hautnah erleben. Kevin und Martin probierten als einzige von unserer Gruppe ein Stück Originaltunnel, wo das Einstiegsloch alleine nur etwa 30x20cm groß ist und man sich auf allen Vieren blind durch einen stockfinsteren Tunnel tastet. Der Rest der Gruppe begnügte sich mit dem so genannten Touristentunnel, der für große, ungelenkige Falang (Westerners) schon etwas erweitert und beleuchtet wurde. Er ist aber immer noch klaustrophobisch eng, heiß und stickig. Schwer vorzustellen, wie Leute hier jahrelang leben konnten.
Nach dem Besuch des Tunnelkomplexes fuhren wir noch zum War Remnants Museum, einem Museumskomplex, der sich mit der Geschichte des Vietnamkriegs auseinander setzt und das auf eine sehr direkte Art und Weise. Hunderte Bilder an den Wänden zeigen Kriegsverletzte, Bombenopfer, Minentote, Massengräber, und Opfer von Napalm und Agent Orange. So direkt mit den Gräuel des Krieges konfrontiert zu werden geht einem schon ziemlich nah. Man merkt einfach, dass das ganze noch nicht lange her ist. Der Großteil der Vietnamesen hat den Krieg und seine Auswirkungen direkt miterlebt und muss sich bis heute mit den Spätfolgen auseinander setzen. Immer noch werden Kinder aufgrund der „Agent Orange“- Angriffe mit Missbildungen und Behinderungen geboren. Der Sohn von unserem Hotelbesitzer war zum Beispiel schwer behindert, was ziemlich sicher damit zusammenhängt, dass seine Eltern dem Herbizid „Agent Orange“ ausgesetzt waren.
Der Besuch von Tunnel und Museum war zwar eine heftige Erfahrung, aber es war auch sehr wichtig um die vietnamesische Geschichte und in weiterer Folge die vietnamesische Mentalität und Kultur ein bisschen besser verstehen zu können.
Aber trotz dieses zusätzlich gewonnenen Kulturverständnisses waren wir echt froh als wir in den Direktbus nach Phnom Penh/Kambodscha steigen und Vietnam hinter uns ließen.

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